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Aktuell in Nature Cardiovascular Research
Die Wanderung (und Bedeutung) der Neutrophilen Granulozyten

Neutrophile Granulozyten sind spezialisierte Immunzellen der Wirbeltiere und beim Menschen die häufigsten weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Sie spielen bei vielen verschiedenen Krankheiten, die mit Entzündungen einhergehen, eine Schlüsselrolle. Es wird heute immer deutlicher, dass neutrophile Granulozyten einen komplexen und dauerhaften Beitrag zur Immunreaktion liefern. Er ist nicht nur in der Anfangsphase der Entzündung, sondern auch in der anschließenden Heilungsphase von großer Bedeutung, indem er reparative Prozesse reguliert. Prof. Dr. Ulrich Flögel, Institut für Molekulare Kardiologie, und Team haben um tieferen Einblick in die komplexe Rolle der Neutrophilen während der Immunantwort zu erhalten, die gesamte Kaskade von ihrer Bildung im Knochenmark über die Freisetzung in den Blutkreislauf bis hin zur Infiltration und den dynamischen Funktionen innerhalb von Entzündungsherden mit nicht-invasiver MRT-Ganzkörper-Bildgebung im lebenden Organismus abgebildet.

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MRT- Aufnahme einer Maus vor und nach Myokardinfarkt. Oben sind die Neutrophilen in ihren hämatopoetischen Nischen in den Hinterbeinen und dem Brustbein zu sehen. Im unteren Bild, 24 Stunden nach Myokardinfarkt (s. ST-Hebung, r.), ist eine deutliche Verringerung ihrer Signale im Knochenmark von Oberschenkel und Schienbein bei gleichzeitigem Auftreten von Nanotracern im Herzen (gestrichelter Kreis) zu erkennen.

Hierfür haben Prof. Dr. Ulrich Flögel und Team Nanotracer mit spezifisch gegen Neutrophile gerichteten Bindungspeptiden entwickelt. In Kombination mit einer speziellen dreidemsionalen MRT-Technik konnten sie damit die Neutrophilen nicht nur im Blutkreislauf, sondern auch am Ort ihrer Bildung im Knochenmark darstellen und ihre Wanderung in das verletzte Herzmuskelgewebe der Maus nicht-invasiv im lebenden Tier verfolgen. Die Analyse der Daten zum Ort der Bildung der Neutrophilen ergab, dass der Oberschenkelknochen das größte Neutrophilen-Reservoir und auch die Hauptquelle für die Freisetzung von Neutrophilen nach einem Herzinfarkt darstellt.

Darüber hinaus zeigten die Forschenden, dass sowohl sterile als auch unsterile, d.h. durch äußere Erreger verursachte, Entzündungen zu einer verstärkten Aufnahme der Nanotracer durch Neutrophile führen. Dies kann als nicht-invasiver Indikator für deren Aktivierungszustand genutzt werden. Durch die zusätzliche Analyse menschlicher Blut- und Gewebeproben lieferten Prof. Dr. Ulrich Flögel und Team außerdem überzeugende Beweise dafür, dass der vorliegende Ansatz auch für die Überwachung der Dynamik menschlicher Neutrophiler geeignet ist.

Übertragen auf den klinischen Bereich wird es dieser Ansatz nicht nur ermöglichen, verborgene Ursachen für bakterielle oder sterile Entzündungen bei Patienten aufzudecken. Darüber hinaus wird es auch möglich, Krankheitszustände zu entschlüsseln, die sich aufgrund einer verstärkten Infiltration oder Aktivierung von Neutrophilen kurz vor einer schweren Verschlimmerung befinden.

Auf diese Weise können Entzündungsmuster im Hinblick auf das Vorhandensein und die Aktivierung von Neutrophilen besser eingeschätzt und einer maßgeschneiderten personalisierten Therapie zugeordnet werden. Da ähnliche Nanotracer bereits in klinischen Studien untersucht wurden und klinische MRTs problemlos umgerüstet werden können, birgt diese Technologie ein hohes Potenzial für die Diagnose, die personalisierte Therapie und die Identifizierung neuer therapeutischer Ziele. Der Forschungsansatz ist sogar leicht an andere Bildgebungsverfahren (Computertomographie (CT), Positronen-Emissions-Tomographie (PET) anzupassen und kann auch als therapiebegleitendes Werkzeug eingesetzt werden.

So könnte die zusätzliche Ausstattung dieser Nanotracer mit immunmodulatorischen Wirkstoffen eine Möglichkeit sein, um etwa die altersbedingte nachlassende Immunantwort zu überwinden oder das Gegenteil, überschießende Neutrophilenfunktionen, zu dämpfen.

Originalpublikation:

Bouvain P, Ding Z, Kadir S, Kleimann P, Kluge N, Tiren ZB, Steckel B, Flocke V, Zalfen R, Petzsch P, Wachtmeister T, John G, Vijitha N, Krämer W, Strasdeit T, Mehrabipour M, Moll JM, Schubert R, Ahmadian MR, Bönner F, Boeken U, Westenfeld R, Engel D, Kelm M, Schrader J, Köhrer K, Grandoch M, Temme S, Flögel U: Non-invasive mapping of systemic neutrophil dynamics upon cardiovascular injury. Nat Cardiovasc Res 2023, DOI: 10.1038/s44161-022-00210-w.

 

Autor/in:
Kategorie/n: Medizinische Fakultät, Schlagzeilen, Pressemeldungen, Auch in Englisch
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