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Applaudierendes Publikum bei der Lehrpreisverleihung für Medizin

Andreas Künzel

Autofahren lernen im Schnee

Der Zahnarzt und Fachzahnarzt für Oralchirurgie Dr. Andreas Künzel, Oberarzt der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und Aufnahme des Universitätsklinikums Düsseldorf, wurde für sein Praktikum zum radiologischen Kurs für den Lehrpreis der HHU nominiert. Seine Studierenden loben sein „extrem hohes Engagement und persönliches Einbringen, um den eigentlich praktischen Kurs online stattfinden lassen zu können“. 

Was ist das Besondere an Ihrem Lehrformat?
Es ist eigentlich ein praktischer Kurs, dass dieser nun online stattfinden musste, war eigentlich eine Notlösung. Für den Erwerb von Fachkunde und Sachkunde im Strahlenschutz müssen Studierende 48 Stunden Praktikum in Präsenz in der Röntgenabteilung vorweisen. Die Studierenden müssen lernen, wie sie radiologische Geräte steuern. Normalerweise gehört es dazu, dass sie Patient:innen empfangen und in die Kabine bringen, die Geräte einstellen und zwischendurch auch beispielweise an einem Schädelskelett üben. Durch die Corona-Pandemie konnten wir keine Studierenden auf der Station mehr für das Praktikum zulassen. Da drohte ein Rückstau und wir mussten uns etwas einfallen lassen, haben uns bei unserem Vorhaben YouTube Tutorials inspirieren lassen und haben ein Online-Praktikum entwickelt.
Wir haben uns Unterstützung vom Medienzentrum geholt und mit mehreren Kameras unter anderem eine Führung durch die Röntgenabteilung gemacht und diese sowie die Geräte gezeigt. 
Kameras begleiteten die Referenten und zwei Studierende in Präsenz durch die Röntgenabteilung. So haben wir den Studierenden alles, was zum Lernstoff gehört, gezeigt und sie teilhaben lassen. Teilweise konnten sie auch selbst aus der Ferne über Teams die Steuerung übernehmen und die Geräte von zuhause aus selbst einstellen. Oder ein Studierender zuhause hat eine Person vor Ort sozusagen dirigiert und gesagt, was diese machen soll. Ein Wettbewerb diente als zusätzlicher Anreiz: Meistens mussten die Studierenden die Dosiswerte der Röntgenuntersuchungen schätzen. Dafür müssen sie wissen, welche Geräte von welchen Einstellungen wie beeinflusst werden. Wir haben die Dosis dann jeweils gemessen: Wer mit seinen Schätzungen insgesamt am besten lag, hat einen kleinen Preis erhalten. Das hatte durchaus etwas von einer Lotterie, da das schwer unvorhersehbar ist. 

Was macht für Sie gute Lehre aus?
Es muss relevant sein für das Studienfach und den späteren Beruf sein. Dann ist es leichter für die Studierenden, die Inhalte aufzunehmen und sich etwas zu merken. Jede:r von uns kennt das, dass man etwas lernen musste, was man später nie wieder braucht, und dann fragt man sich, ob das nicht vergeudete Energie und Zeit war. Ich habe in den 80er Jahren studiert und musste im Studium noch Kronenherstellung mit Ring-Deckel-Krone lernen. Das ist eine Technik, die ist in den 60er Jahren ausgelaufen. Das war handwerklich eine gute Übung, aber da habe ich mich gefragt, warum man mir das noch beigebracht hat. Daher ist es mir immer wichtig, den Studierenden zu vermitteln, warum sie etwas lernen sollen. 

Was ist für Sie in der Lehre die größte Herausforderung?
Die Herausforderung ist für mich oft, Dinge zu lehren, die im Alltag nicht regelmäßig vorkommen, und das mit einer gewissen Praxisnähe zu erklären. Das sind dennoch Dinge, die ein Zahnarzt oder eine Zahnärztin wissen muss, auch wenn sie nicht oft vorkommen. Leukämie kann sich zum Beispiel im Mund bemerkbar machen. Ich erinnere mich da an einen Fall, den ich vor Jahrzehnten hatte. Das sollte ein Zahnarzt im Hinterkopf haben, wenn er zum Beispiel einen Zahn zieht und es nicht wie gewohnt heilt. 
Zahnmedizin nur online zu lehren war auch eine große Herausforderung. Eine Vorlesung kann man gut online anbieten, aber digitale Lehre hat auch Grenzen. Diese Grenzen habe ich im Praktikum zum radiologischen Kurs versucht herauszuschieben. Aber was Zahnmedizin speziell ausmacht, ist die Behandlung an Patient:innen. Das kann man schlecht online machen. Zum Verständnis folgendes Beispiel: Als ich Autofahren gelernt habe, hat es genau an einem Tag geschneit, als ich eigentlich eine Fahrstunde haben sollte. Ich habe mich sehr darauf gefreut. Doch der Fahrlehrer sagte die Stunde ab – wegen des Schnees. Dabei wäre das doch die Gelegenheit gewesen, das Fahren im Schnee zu lernen. Genauso war die Pandemiezeit nun die Gelegenheit, angehenden Zahnärzt:innen zu zeigen, wie man unter Corona-Bedingungen Zahnmedizin betreibt. Zu Anfang der Pandemie glaubte man, Zahnärzt:innen seien besonders gefährdet, stellte dann aber fest, dass der Mund-Nasen-Schutz und weitere Maßnahmen uns gut schützen. Deshalb sollte die praktische Ausbildung an Patient:innen weitergehen.

An welchen Moment erinnern Sie sich als Lehrender gerne zurück?
Es ist immer schön, wenn man einem Studenten oder einer Studentin etwas beibringt, und diese oder dieser das dann erfolgreich macht. Oder vielleicht sogar besser, als man es selbst gemacht hätte. 
Ich erinnere mich an eine Facharztausbildung, da habe ich angehende Fachzahnärzt:innen für Oralchirurgie angelernt. Bei einer Weisheitszahn-Operation instruierte ich einen Kollegen, er solle das Loch noch etwas größer bohren, es sah für mich zu klein aus, um den Zahn dadurch zu entfernen. Er sagte, ich soll ihn mal machen lassen, und zauberte den Zahn aus dem kleinen Loch hinaus. Er hat es effizienter gemacht, als ich es geschafft hätte. Das war für mich ein totales Erfolgserlebnis. Außerdem ist es natürlich jedes Mal schön, wenn Studierende sich nach ihrem Abschluss noch für die gute Lehre bedanken und verabschieden. 

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