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Selbstständig den Stationsalltag meistern:

Einblick in das PJ auf der ersten Interprofessionellen Düsseldorfer Ausbildungsstation (IDA)

Am 7. August 2023 startete die erste Interprofessionelle Düsseldorfer Ausbildungsstation (IDA) am UKD. Vier Wochen lang betreuen hier Auszubildende in der Pflege gemeinsam mit Studierenden im Praktischen Jahr (PJ) eigenverantwortlich die Patient:innen auf der Station. Berufserfahrene Lernbegleitende stehen ihnen dabei zu jeder Zeit zur Seite. Pilot-Station der IDA ist die Station KK03 in der Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie. Die ersten beiden PJ-Studierenden auf der IDA heißen Ewurafua Hagan-Brown und Tim Seher. Wir haben ihren Stationsalltag für eine Schicht begleitet.

Es ist Mittwochvormittag, 11 Uhr. Auf Station KK03 in der Kinderklinik des UKD herrscht ein buntes Treiben. Menschen in königsblauen, hellblauen und weißen Kasacks – den im medizinischen Bereich und der Pflege typischen Oberteilen – eilen durch den hellen Gang. An diesem sonnigen Sommertag dringt viel Licht durch das große Fenster mit den bunten Schmetterlingen und Blumen am Ende des Gangs. Gleich davor steht ein Kickertisch, an dem sich gerade ein kleiner Junge mit einem Physiotherapeuten ein Match liefert. Die Tür links daneben scheint besonders hoch frequentiert zu sein. Immer wieder kommen und gehen die Menschen mit ihren verschieden farbigen Kasacks ein und aus. Tatsächlich verbirgt sich hier ein besonderer Raum: An der Tür klebt ein großer, noch etwas provisorisch erscheinender Zettel mit der Aufschrift „Interprofessionelle Düsseldorfer Ausbildungsstation“.

Gegenseitige Wertschätzung und ein respektvoller Umgang sind Schlüsselfaktoren

Station KK03 ist die Pilot-Station für die erste Interprofessionelle Ausbildungsstation am UKD, kurz „IDA“. Hier lernen und arbeiten zurzeit vier Auszubildende in der Pflege und zwei Studierende im Praktischen Jahr (PJ) für vier Wochen in interprofessionellen Teams zusammen. Neben der Fachlichkeit sollen so auch die individuelle Entwicklung sowie die Teamfähigkeit gefördert werden. Schlüsselfaktoren der interprofessionellen Zusammenarbeit seien gegenseitige Wertschätzung und ein respektvoller Umgang miteinander, erklärt Doris Strauch, pädagogische Mitarbeiterin des Bildungszentrums am UKD sowie Koordinatorin und Leiterin des IDA-Projektes: „Wir sprechen hier von Selbst- und Fremdreflexion, von Perspektivwechseln, die unglaublich wichtig sind, um das große Ganze zu verstehen“. Sie ist selbst systemische Coachin und begleitet das gesamte Projekt mit. In den wöchentlichen Feedback- und Reflexionsrunden bespricht und evaluiert sie mit den Teilnehmenden den Verlauf des Pilotprojekts. Auch heute ist sie auf der IDA mit dabei.

Der Tagesablauf auf der IDA ist in zwei Schichten aufgeteilt. Pro Schicht sind je zwei Auszubildende und ein:e PJ-Student:in gemeinsam für die ihnen anvertrauten Patient:innen, Angehörigen und die zahlreichen Arbeitsprozesse verantwortlich. Begleitet und unterstützt werden sie dabei von pflegerischen und ärztlichen Lernbegleitenden. Heute hat PJlerin Ewurafua Hagan-Brown, von allen Efua genannt, die Frühschicht. Seit kurz vor 8 Uhr ist sie im Dienst. Es ist ihre zweite von insgesamt vier Wochen auf der IDA. Wie eigentlich jeden Morgen gibt es auch heute viel zu tun. Schnell bewegt sie sich in ihrem blauen Kasack auf der Station hin und her, ein Stethoskop locker um die Schultern gehängt. Dabei wirkt sie fröhlich, selbstbewusst und routiniert. Das habe in der ersten Woche noch etwas anders ausgesehen, die sei sehr anspruchsvoll und stressig gewesen, sagt sie, doch dank der guten Unterstützung lerne sie auf der IDA sehr schnell dazu. „In der zweiten Woche sehe ich schon, wie ich viel selbstständiger geworden bin“, berichtet Efua. Sie befindet sich im dritten und letzten Tertial ihres PJs. Die Möglichkeit, auf der IDA unter Aufsicht selbstständig zu arbeiten, habe sie besonders gereizt. „Es ist eine sehr gute Vorbereitung für die Zeit als Assistenzärztin. Man lernt hier alles, was man dafür benötigt“, erklärt sie und lächelt. Dann muss Efua auch schon wieder weiter zur Oberarztvisite.

Bei der Visite kommt die interprofessionelle Zusammenarbeit so richtig zum Ausdruck. Gemeinsam betritt das gesamte berufsübergreifende Team mit den Lernbegleitenden den Raum einer drei Monate alten Patientin. Alle versammeln sich dicht nebeneinander vor dem kleinen Bett mit den bunten Gitterstäben. Auf der anderen Seite des Bettes sitzt die Mutter des Babys und verfolgt die Visite mit. Der kleine Raum ist nun gut gefüllt,  trotzdem nimmt jede:r eine feste Rolle ein. Im Vordergrund stehen Efua und Benjamin, der Krankenpfleger in Ausbildung. Nacheinander stellen sie dem Oberarzt Dr. Carsten Döing die Geschichte der kleinen Patientin vor und geben Auskunft über den Krankheitsverlauf und die bisher eingeleiteten Therapiemaßnahmen. Diesem kleinen Mädchen geht es zum Glück schon wieder besser. Sie darf voraussichtlich noch heute nach Hause. Die Lernbegleitenden halten sich während der Visite eher im Hintergrund und stellen ab und zu eine Nachfrage an die Lernenden.

IDA passt gut zum Profil des Düsseldorfer Curriculum Medizin

Die zunehmende Selbstständigkeit der von der Projektleiterin Frau Strauch liebevoll als „IDAist:innen“ bezeichneten Lernenden freut auch den assistenzärztlichen Lernbegleiter Felix Sander: „Ich kann mich als Lernbegleiter immer weiter zurückziehen und nehme nur noch die Rolle des Zuschauenden ein.“ Er selbst hat erst im letzten Jahr sein PJ absolviert und stellt begeistert fest, wie schnell die PJler:innen auf der IDA Fortschritte machen: „Man kann wirklich sagen, die Lernkurve verläuft exponentiell.“ Für die Zukunft wünscht er sich eine Ausweitung des IDA-Projekts auf andere Stationen und auch auf weitere Berufsgruppen. Außerdem sei es für Medizinstudierende der HHU besonders sinnvoll, eine interprofessionelle Ausbildungsstation zu durchlaufen, denn das Konzept der IDA passe sehr gut zum Profil des Modellstudiengangs Medizin. „Wir haben ja in Düsseldorf sowieso den Ansatz einer patientennahen Lehre mit frühzeitigem Patientenkontakt. Mit dem IDA Projekt gehen wir noch einen Schritt weiter. Hier können die PJler:innen die Patient:innen dann sogar selbst betreuen und sich im Stationsalltag wiederfinden. Und trotzdem befinden sie sich in einem geschützten Rahmen. Das Auffangnetz ist immer da, zum einen durch den Oberarzt Dr. Döing, aber auch durch uns Lernbegleitende“, berichtet Felix Sander.

Den „IDAist:innen“ stehen nicht nur berufserfahrene Lernbegleitende zur Seite, sondern auch ein gemeinsames, extra für die IDA umgebautes, Dienstzimmer zur Verfügung. An das Stationsbad, das sich zuvor an dieser Stelle befand, erinnert nur noch die Aufschrift auf dem Türschild. Jetzt stehen hier große weiße Arbeitstische, ausgestattet mit modernen PCs. An der Wand hängt ein großer Bildschirm für das tägliche „Mittagsgespräch“, die Videoschalte mit den anderen Stationen des Hauses. Ein großer, aufgeräumter Raum, der noch sehr neu wirkt. Bunte Postkarten an der Wand mit Sprüchen wie „Ohne das Lachen hat das Leben keinen Herzschlag“ lassen das neue Zimmer schon etwas belebter erscheinen und auch erste Gemälde und Nachrichten der kleinen Patient:innen hängen bereits neben den Dienstplänen an der Pinnwand. Vor allem aber wird der Raum belebt von den Menschen, die hier zusammenarbeiten, sich austauschen und besprechen.

Um 12:30 Uhr wird es richtig voll im Dienstraum der IDA. Die Spätschicht ist da, darunter auch Tim Seher, der zweite PJler im Projekt. Zunächst versammeln sich die beiden PJ-Studierenden mit dem ärztlichen Personal für den täglichen Video-Call mit den anderen Stationen im Dienstraum. Direkt im Anschluss geht es weiter mit der Übergabe zwischen Früh- und Spätschicht. Der eben noch so groß und aufgeräumt wirkende Raum erscheint plötzlich trubelig und voll. Im gesamten Raum verteilt besprechen sich die „IDAist:innen“ miteinander und mit ihren Lernbegleitenden. Die unterschiedlichen Rollen der Anwesenden lassen sich erst auf den zweiten Blick anhand der Farbe ihrer Kleidung erkennen. Während Efua und Tim wie auch ihr assistenzärztlicher Lernbegleiter Felix königsblau tragen, sind die Auszubildenden der Pflege in weiß gekleidet und das examinierte Pflegepersonal trägt Kasacks in hellblau. Gespräche finden hier zwischen allen Beteiligten auf Augenhöhe statt. Wie schon zuvor bei der Visite, kommt trotz der Menge an Menschen im Raum keine Unordnung auf. Wieder scheint jede:r genau zu wissen, was sie oder er zu tun hat.

Tim durchläuft die IDA gleich in seinem ersten PJ-Tertial. Bei einer Informationsveranstaltung zum Praktischen Jahr habe er vom Projekt erfahren und sich direkt beworben. Besonders reizvoll sei für ihn das hohe Maß an Eigenverantwortung und die Möglichkeit, durch die interprofessionelle Zusammenarbeit von anderen Berufsgruppen zu lernen: „Man kann fragen, ob man einander helfen kann, auch bei Sachen, die nicht typischerweise in das eigene Berufsfeld passen.“ Auch er fühlt sich nach nur anderthalb Wochen auf der IDA schon gut auf den ärztlichen Berufsalltag vorbereitet: „Was wir hier gelernt haben, würde man wahrscheinlich sonst erst im ersten Jahr als Assistenzarzt lernen.“

Heidelberger "HIPSTA" diente als Vorbild

Initiiert wurde die Einrichtung einer interprofessionellen Ausbildungsstation in Düsseldorf von Pflegedirektor und UKD-Vorstandsmitglied Torsten Rantzsch. Gemeinsam mit dem Ärztlichen Direktor und UKD-Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Dr. Frank Schneider rief er vor einigen Jahren eine interprofessionelle Arbeitsgruppe ins Leben, bestehend aus Pflegepersonal, ärztlichem Personal, den Personalräten, der Fachschaft Medizin, der Schülervertretung, dem Studiendekanat sowie den Stationsleitungen. Als Vorbild diente eine ähnliche Station in Heidelberg, die sogenannte „HIPSTA“. Mit der HIPSTA habe man während der Planungsphase in regem Austausch gestanden und pflege inzwischen ein freundschaftliches Verhältnis, berichtet Doris Strauch.

Auch Dr. Carsten Döing, Oberarzt in der UKD-Kinderklinik sowie Leiter des Trainingszentrums für ärztliche Kernkompetenzen im Studiendekanat Medizin, erinnert sich an die Planungsphase zurück und hebt die Bedeutung aller Beteiligten hervor: „Für den Erfolg des Projekts ganz entscheidend war die Unterstützung und Mitarbeit durch die Fachschaft Medizin, die Auszubildendenvertretung, das Studiendekanat Medizin und das Universitätsklinikum. Dadurch konnte das Projekt über die letzten Jahre entwickelt und umgesetzt werden.“ Nun freue er sich besonders, dass die IDA als Pilot-Projekt in der Kinderklinik so erfolgreich gestartet sei. Die IDA bringe Berufsgruppen, die im Alltag eng zusammenarbeiten, frühzeitig in ihren Ausbildungen zusammen. Das führe nicht nur zu einer gesteigerten Patientensicherheit, sondern auch zur Stärkung der Arbeit im Team und einer höheren Arbeitszufriedenheit für beide Berufsgruppen, erklärt Dr. Döing.

Auch Efua und Tim freuen sich, Teil des Pilot-Projekts sein zu können. Noch sind sie die einzigen beiden PJler:innen auf der IDA. Aber schon im Herbst startet die nächste Kohorte in der Kinderklinik mit insgesamt vier PJ-Studierenden. Es gebe auch schon konkrete Pläne für weitere IDAs am Standort, teilt die Projektleiterin Frau Strauch mit. 2024 sollen zwei weitere Stationen an den Start gehen. Die wichtigsten Voraussetzungen für den Aufbau einer IDA seien die personellen Ressourcen für die Lernbegleitung und die Räumlichkeiten. Es müsse auf der Station in jedem Fall ein eigenes IDA-Dienstzimmer geben, so Strauch. Dass dabei im Zweifel auch ein altes Badezimmer umgebaut und umfunktioniert werden kann, zeigt das Beispiel der Pilot-Station. PJ-Student Tim hofft ebenfalls auf eine Ausweitung des Projekts in der Zukunft. „Man kann sich nur wünschen, dass jede:r PJ-Studierende die Möglichkeit bekommt, das zu machen“, sagt er und schaut zu seiner Kollegin Efua, die ihm lächelnd zustimmt. Gleich wird sie in den Feierabend verschwinden, wieder ein kleines Stückchen sicherer und erfahrener als noch am Tag zuvor.

Fotos: Studiendekanat Medizin / Christian Herrmann

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