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"Wer seinen Schwerpunkt neben der klinischen Tätigkeit in der Lehre setzt, der ist im MME-Studiengang gut aufgehoben."

Interview mit Dr. Hans Martin Bosse und Dr. Kathrin Klein

Was ist der MME und für wen eignet sich der Studiengang?

HMB: Ich glaube der MME ist ideal für Leute, die sich bereits ein bisschen mit Lehre beschäftigt haben, die Freude daran haben, anderen etwas näher zu bringen. Wer an der Fakultät die Lehre aktiv mitgestalten will, für den bedeutet der MME einfach eine Professionalisierung und die Befähigung, Entwicklungen und Prozesse auf der Meta-Ebene zu betrachten. Natürlich ist es auch eine persönliche Weiterbildung für das eigene Auftreten.

KK: Im MME lernst Du, wie Du als Multiplikator in der Fakultät die Lehre verbessern kannst. Gerade die jungen Assistenzärzte, die ja einen Hauptteil der Lehre machen, wissen oft gar nicht genau, wie sie die Inhalte vermitteln sollen.
 

Wann und wo haben Sie den MME absolviert?

KK: Ich habe den MME 2014 bis 2015 in Bern gemacht. Ich war dort so eine Art Küken, denn ich war mit Abstand die Jüngste. Das fühlte sich schon erstmal komisch an als Assistenzärztin im ersten Jahr, wenn alle um einen herum Oberärzte sind. Heute im beruflichen Alltag sehe ich das schon als Vorteil, dass ich den MME so früh gemacht habe. Es ist oft einfacher, wenn Assistenzärzte untereinander sprechen. Man kann Dinge auf Augenhöhe gut weitergeben, ohne dass es auf Widerstände stößt.

HMB: Ich war bereits Oberarzt, als ich den MME von 2005 bis 2007 in Heidelberg gemacht habe. Wir waren die erste Kohorte in Deutschland. Das war eine bemerkenswerte Erfahrung, denn wir haben miterlebt, wie so ein Studiengang entsteht. Der Aufbau eines solchen Studiengangs ist ein Prozess, der kontinuierlich Feedback und Veränderungsprozessen unterliegt, und wir waren von Anfang an dabei.
 

Was zeichnet die beiden Standorte aus?

HBM: Der MME in Deutschland ist ein sehr facettenreicher Studiengang. Er wird von vielen Fakultäten in Deutschland getragen und man besucht innerhalb der Präsenzzeiten des Studiums auch immer einen dieser Standorte. Dieser ist dann nicht nur für die Organisation der jeweiligen Inhalte mit zuständig, sondern man sieht auch vor Ort, wie die Lehre dort organisiert wird und wie der Modellstudiengang am jeweiligen Standort aufgebaut ist. Mit all seinen Vorteilen, aber auch mit den Problemen. Man darf auch mal unverfälscht hinter die Kulissen gucken. In der letzten Woche gibt es eine Exkursion, die oft ins Ausland geht. Wir waren da zum Beispiel in der Schweiz in Bern – ein Highlight der Medizindidaktik in Europa. So bekommt man einen Blick über den Tellerrand von Deutschland.

KK: Das ist auch der große Unterschied zwischen Heidelberg und Bern. In Bern liegt der Fokus auf Dozenten aus der Schweiz und aus den USA, die so genannte Koryphäen auf ihrem Gebiet sind. Der Studiengang dort ist für mein Gefühl eher theoretisch und wissenschaftlich aufgebaut. Das ist einfach ein anderer Schwerpunkt.

HMB: Natürlich wird auch in Deutschland die Theorie vermittelt. Aber der Schwerpunkt liegt auf der praktischen Anwendung: Wie übersetze ich die Theorie in die Praxis? Man arbeitet in Kleingruppen an konkreten Projekten und geht am Ende mit einem prall gefüllten Werkzeugkasten aus diesem Studium heraus in seine praktische Arbeit. Also im besten Sinne ein Master-Studiengang.
Darüber hinaus ist das Networking natürlich auch enorm. Ich profitiere bis heute davon, dass ich Kommilitonen, auch aus späteren Jahrgängen, kenne, die ich immer ansprechen kann.
 

Frau Klein, Sie haben für das Studium ein Stipendium unserer Fakultät erhalten, für welches man sich auch jetzt wieder bewerben kann. Wie waren hier Ihre Erfahrungen?

KK: Für die Bewerbung um das Fakultätsstipendium braucht man ein konkretes Projekt, welches auch einen nachhaltigen Sinn für die Fakultät haben sollte. Matthias Hofer, der Leiter der Medizindidaktik im Studiendekanat hat mich damals dazu ermuntert und während meines gesamten Studiums sehr unterstützt. Mein Projekt war die Schulung aller in der Lehre aktiven Assistenz- und Oberärzte auf die Lehrformate in den Praxisblöcken. Diese Projektidee arbeitet man aus und stellt sie der Prodekanin und der QV-Kommission vor. Diese entscheiden, ob sich das Projekt für die Fakultät lohnt oder nicht. Ich glaube es geht aber nicht nur um das Projekt. Die Nachhaltigkeit und die Motivation, die dahinterstecken, sind meiner Meinung nach noch wichtiger. Also wenn jemand sagt, er möchte sich in der Fakultät engagieren und er auch langfristig seine Zukunft bei uns sieht.

HMB: Ich glaube auch, es muss eine Herzensangelegenheit sein. Man muss ein Projekt haben, bei dem man Lust hat, auch privat seine Ressourcen reinzugeben.
 

Was bedeutet der MME für die eigene Karriere?

HMB: Für einen persönlich bedeutet er viel, weil man einfach Lernprozesse viel professioneller betrachten kann. Man versteht, was in der Lehre gut läuft und was nicht, und hat die Hilfsmittel an der Hand, dies zu verändern. Im universitären Kontext spielen natürlich Publikationen und das Einwerben von Drittmitteln eine große Rolle. Das ist beides in der Lehre schwieriger zu erlangen als in der Forschung. Also, wer sich mit Lehre beschäftigt, tut es nicht primär für seine Karriere, sondern er tut es, weil er für sich einen Platz zum Beispiel in der Lehrkoordination oder Curriculumentwicklung gefunden hat, und das professioneller handhaben will.

KK: Ich bin da in einer etwas anderen Situation. Für mich ist es schon so, dass der MME unter fast 70 Assistenzärzten in unserer Klinik auch ein Alleinstellungsmerkmal bedeutet. Trotzdem muss man auch Freude an der Thematik haben.
 

Gibt einem der MME gegenüber Kollegen ein anderes Standing?
Hat es mehr Wirkung, wenn Sie als MME-ler etwas zum Thema Lehre sagen?

HMB: Ja, ich glaube schon.

KK: Ja, und es kommt natürlich auch auf den Stellenwert der Lehre in der eigenen Klinik an. Also ich bin an einer Klinik, wo der Chef auch ganz offensichtlich viel Wert auf die Lehre legt. Wenn der Chef auch dahintersteht dann ist das auch nochmal eine ganz andere Situation, in der man viel mehr Freiheiten hat.
 

Patientenversorgung, Lehre, Forschung und nebenbei nochmal studieren – Wie sieht es dann mit dem Privatleben aus?

HMB: Ich glaube während des Studiums zahlt man privat tatsächlich mit ein, auch wenn man für die Präsenzphasen freigestellt wird. Das geht ohne privates Engagement nicht, denn die Module müssen vor- und nachbereitet werden und das ist schon ein erheblicher Aufwand. Aber es lohnt sich. Lehre, Forschung und Klinik kann keiner im gleichen Ausmaß perfekt machen. Man muss seine Schwerpunkte setzen und die, die einen Schwerpunkt neben der klinischen Tätigkeit in der Lehre setzen, die sind im MME gut aufgehoben.
 

Was macht den Standort Düsseldorf für MME-ler attraktiv?

HMB: Unsere Fakultät hat sich mit dem Modellstudiengang auf einen guten Weg gemacht. Der Modellstudiengang bietet viel Freiraum, Dinge zu entwickeln. Durch die neuen Unterrichts- und Prüfungsformate haben wir eine große Offenheit.
Das, was unseren Modellstudiengang ausmacht, machen ja erstmal viele andere Standorte auch: interdisziplinär arbeiten, die klinisch-praktischen Fächer mit den Grundlagenfächern verbinden. Aber was Düsseldorf meiner Meinung nach auszeichnet, sind unsere neuen Lehr- und Lernformate. Die Gesellschaft erwartet von uns, dass ein Arzt, der mit seinem Studium fertig ist, ein gewisses Repertoire an Behandlungsanlässen, also an Anliegen eines Patienten, beherrschen kann. Das ist in Düsseldorf mit dem Lernen an Behandlungsanlässen umgesetzt und durchzieht unser Curriculum als einer der wichtigen großen roten Fäden. Wir bilden die Ärzte ab dem ersten Semester aus, eines Tages handlungsfähig am Patienten zu sein.

KK: Was ich bei der Einführung neuer Kolleginnen und Kollegen immer herausstelle ist, dass wir so viele Studentinnen und Studenten haben, die praktisch mitarbeiten. Der Modellstudiengang ist ja darauf ausgelegt, dass die Studierenden viel mehr Praxisunterricht in den Kliniken und Instituten bekommen. Also sind wir eigentlich von Anfang an gefordert, das was wir täglich bei der Visite machen, auch zu erklären. Ich glaube, dass man selber dadurch besser in seinem Job wird. Nicht nur für die Studierenden ist das gut, auch man selber überlegt sich: „Warum habe ich das jetzt so gemacht?“, „Wie erkläre ich das jetzt so, dass man es versteht?“ – das macht für Assistenzärzte schon viel aus.
 

Und was könnte man bei uns verbessern oder weiterentwickeln?

HMB: So ein Curriculum ist nie fertig, das ist immer im Fluss. Natürlich bleibt unser Leitbild bestehen, aber die genauen Inhalte, Methoden und Prüfungen, das ist ein stetiger Entwicklungsprozess und da mischen wir auch international noch nicht ganz vorne mit. Es eröffnen sich jedes Jahrzehnt neue Perspektiven und die Frage ist, wie verändern wir uns dann, wenn neue, gut begründete Ideen international state-of-the-art sind. Wir dürfen nicht auf dem jetzigen Stand stehen bleiben. Ich denke, dass wir auf einem guten Weg sind, aber es gibt auch ein paar größere Projekte, die noch anstehen könnten.
 

Zum Beispiel?

HMB: Zum Beispiel der Ausbau der klinisch-praktischen Prüfungen oder auch der interdisziplinären Zusammenarbeit mit den Grundlagenfächern. Und das erfordert einfach Ressourcen, die die Kliniker im Moment nicht haben.
Was ich uns definitiv wünschen würde ist, dass wir über alternative klinisch-praktische Prüfungen nachdenken. Es gibt Mini-CEX und Fallvorstellungen, aber die Blockabschlussprüfungen sind doch meistens Klausuren. Die sollen auch ihren Stellenwert haben, aber die können nur einen Teil abbilden. Der Patient sagt eben nicht „Ich habe Bauchschmerzen und das könnte sein: A, B, C, D, E“, sondern da geht es um klinische Kompetenzen. Das muss einen größeren Stellenwert einnehmen.

KK: Genau, und dazu gehört auch der Ausbau der Trainings für Lehrende, die sich auf Didaktik, Kleingruppenunterricht oder Clinical Teaching fokussieren. Hier können wir MME-ler zu einer weiteren Professionalisierung beitragen.

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