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Applaudierendes Publikum bei der Lehrpreisverleihung für Medizin

Dr. Thomas Classen

"Moleküle werden bei mir mit Beinen, Armen und Händen dargestellt"

Dr. Thomas Classen ist streng genommen zwar kein Lehrender der Medizinischen Fakultät, mit seiner Vorlesung „Chemie für Mediziner:innen“ hat er die Medizinstudierenden im ersten Semester jedoch so sehr überzeugt, dass sie ihn zum wiederholten Mal für einen Lehrpreis in der Kategorie „große Veranstaltungen“ nominiert haben. Neben seiner Vorlesung, stellte Dr. Classen zusätzliche, freiwillige Aufgaben online bereit sowie Screencasts zur Erklärung des Lösungswegs. Außerdem bot er den Studierenden eine wöchentliche Online-Sprechstunde am Freitagabend an. Mit seinem Engagement und seiner verständnisvollen, humorvolle Art schafft er es, die Studierenden für sein Fach zu begeistern: „Für mich hat er es geschafft, Chemie, in der Schule eines meiner unliebsamsten Fächer, zu einem der spannendsten zu machen.“

Sie sind ja schon zum dritten Mal für den Lehrpreis nominiert. Wie haben Sie reagiert, als Sie von der Nominierung erfahren haben? Waren sie noch überrascht oder war das für Sie schon Routine?

Routine ist das auf keinen Fall. Da ist erstmal eine große Freude darüber da. Es ist ja vollkommen egal, ob man den Lehrpreis bekommt, oder nicht. Irgendeinem Studierenden war es auf jeden Fall wert, dafür in seiner Freizeit ein zweiseitiges Formular auszufüllen, und das ist eine große Ehre! Und in diesem Fall bin ich sogar sehr gerührt, weil es eine sehr große Lehrveranstaltung ist und eine ganz andere Veranstaltung als die, die sich sonst betreibe.

Was ist denn das Besondere an diesem Lehrformat?

Ich gönne mir in den Veranstaltungen in der Regel gewisse Exkurse. Wir fangen mit den Hardcore-Grundlagen, wie Atomaufbau, Radioaktivität usw., an. Da verliert man vielleicht manchmal ein bisschen die Perspektive und fragt sich „warum machen wir das in diesem Studiengang?“. Das ist selbstverständlich wichtig für die Folgefächer, wie Biochemie, Pharmakologie usw., z.B. über ein Medikament zu reden oder darüber, wie eine Ringer-Lactat-Lösung funktioniert. Die Bezüge gehen teilweise über das Prüfungswissen hinaus, aber das soll eben zeigen, warum wir das überhaupt machen. 

Außerdem ist meine Vorlesung köperlich. Moleküle werden gerne mit Beinen, Armen und Händen dargestellt. Am liebsten würde ich auch ein bisschen Knall- und Rauch erzeugen, weil das die emotionalen Momente sind, die Dinge verankern. Diese Dinge versuche ich z.B. mit Videos, oder mit Dingen, die man in der Bühne machen kann, wieder reinzuholen. Zum Beispiel bringe ich auch mal ein Bügeleisen mit, wenn es gerade um Wasserstoffbrückenbindung geht und versuche damit solche emotionalen Anker zu schaffen. Ob das die gute Lösung ist, keine Ahnung, aber das ist zumindest mein Weg.

Normalerweise handelt es sich ja um eine Präsenzvorlesung. Während Corona mussten Sie auch auf digitale Lehre umsteigen. Wie war das für Sie?

Genau, das ist die Kröte, die wir schlucken mussten. In der Tat haben wir die Vorlesung komplett auf Screencasts umgestellt. Zusätzlich habe ich eine wöchentliche Online-Sprechstunde angeboten. Die ist auch gut angenommen worden, ich hätte aber trotzdem lieber mehr Kontakt gehabt

Ich weiß es deutlich zu schätzen, dass ich jetzt wieder in Präsenz in direkten Kontakt mit den Studierenden komme. Und ich sitze nicht mehr vor meiner Kamera und fühle mich wohl dabei, wie ich mir Dinge selbst erzähle, sondern wir kommen wieder in einen Dialog. Und dieses Jahr kommt das wunderbar raus: von Anfang an gingen die Hände der Studierenden hoch, und das ist wieder ein sehr schönes Gefühl.

Was war für Sie in der Lehre die größte Herausforderung?

Die Studierenden sind im ersten Semester und ich sehe ja, die müssen einfach einen sehr großen Umfang an Stoff lernen. Für meinen Geschmack ist Chemie für Mediziner viel zu umfangreich für diesen kurzen Zeitraum. Wir haben 21 Doppelstunden innerhalb von sieben Wochen, wir sehen uns also bis zu vier Mal pro Woche. Deswegen gehört es auch gerade im ersten Semester ein bisschen dazu, die Leute aufzufangen. Gerade das Medizinstudium ist ja voll mit Leuten, die einen hervorragenden NC hatten und vielleicht während der gesamten Schulzeit nicht richtig lernen mussten, und die jetzt vielleicht an ihre Grenzen stoßen.

Vermutlich befinden sich ja im Medizinstudium ja auch nicht ausschließlich Menschen, die in der Schule den Chemie LK belegt haben, oder?

Ja, das ist mir in der Tat auch schon aufgefallen (lacht). Das geht sogar noch viel weiter. Chemie ist teilweise ein Hass- oder Angstfach. Und es ist schön, wenn diejenigen, die am Anfang der Veranstaltung noch bibbernd da sitzen, am Ende zu einem sagen: „Ich bin gerne gekommen“. Wenn man da eine Sinnhaftigkeit vermitteln konnte, oder zumindest die Hemmschwelle soweit senken konnte, dass das nicht der dritte Kreis der Hölle ist, dann ist das wirklich eine schöne Sache. Und das kann man nur gemeinsam erarbeiten, das passiert nur im Dialog.
 

Was ist für Sie besonders schön an dieser Lehrveranstaltung? 

Ich merke schon, dass ich einen Bezug zu den Studierenden aufbaue. Ich muss ja auch eine Stunde über die Autobahn bis zur Vorlesung hin und wieder zurückfahren, ich fahre aber nicht traurig dahin. Ich bin da sehr gerne, es sind hochmotivierte Studierende, die wissen, warum sie das tun, die in der Regel am Ball bleiben und das ist eine tolle Arbeitsatmosphäre! Ich schließe die Veranstaltung in der Regel mit dem Angebot, dass die Studierenden mich duzen können, sobald sie die Prüfung bestanden haben. Und wenn ich dann später über den Campus laufe und die Leute grüßen einen und sagen dann ganz stolz „Hallo Tom“ – das finde ich wirklich eine schöne Sache.

Und was macht für Sie gute Lehre aus?

Mein Rollenverständnis von Lehre ist: Ich moderiere die Inhalte, ich strukturiere die Inhalte, ich biete den Studierenden etwas an, ich werde aber niemanden zum Lernen zwingen. Den Schritt müssen Studierende selber gehen. Wir sind – auch wenn es in der Medizin vielleicht etwas verschulter ist – nicht in der Schule und das sind alles Erwachsene. Dieses Zugeständnis möchte ich meinen Studierenden machen. Meine Vorlesung ist keine Pflichtveranstaltung und da bin ich sehr dankbar für. Nicht nur,  weil ich keine Unterschriftenlisten mag, sondern weil die Leute selbst entscheiden können.

Welche Pläne haben Sie mit dem Preisgeld?

Also was ich auf keinen Fall damit machen werde ist die Anschaffung von Greenscreens, Kameras oder dergleichen, sondern etwas, was ich mitnehmen dürfte.  Ich habe zum Beispiel mal über einen QVM Antrag einen Molakularbaukasten bekommen, den nutze ich gerne. Ich könnte mir also durchaus vorstellen, dass es etwas in dieser Richtung sein wird. 

Ich könnte mir auch individuelle Dinge vorstellen, zum Beispiel, dass man sich mal ein paar 3D Moleküle ausdrucken lässt, also dass man wirklich mal ein Protein in der Hand hat. Was ganz Konkretes weiß ich also noch nicht, nur die konkrete Vorstellung, dass es „echt“ sein soll.


Dr. Thomas Classen erhielt den Lehrpreis in der Kategorie große Veranstaltungen.

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