Dr. Dr. Sören Twarock
"Gute Lehre macht aus, dass man seine Begeisterung für das Fach rüberbringt und auf die Studierenden überträgt."
Für sein herausragendes Engagement in der Lehre erhielt Dr. Dr. Sören Twarock bereits mehrere Lehrpreise. Trotzdem freut er sich sehr über seine Nominierung für den Lehrpreis Medizin 2021. Damit haben die Studierenden des 3. Studienjahres ihm gezeigt, dass der Umstieg auf digitale Formate während der Corona-Pandiemie gut angekommen sei.
Die Studierenden loben im Nominierungsantrag die gute Struktur sowie den Alltagsbezug seiner Vorlesungen und Seminare. Insbesondere die Online-Seminare, in denen Dr. Dr. Twarock stets ansprechbar ist, sorgen für Begeisterung: "Nun haben alle Studierenden in jedem Seminar immer die Möglichkeit, ihre Fragen direkt an Dr. Dr. Twarock zu stellen."
Die Studierenden des 3. Studienjahrs haben Sie für Ihre Veranstaltungen im TB10 nominiert. Was machen Sie da genau?
Das Schöne ist, dass wir immer eine Vorlesung haben und dazu auch passende Seminare. In der Vorlesung geht es um die Grundlagen, da wird alles einmal strukturiert zusammengefasst. Ich versuche, meine Vorlesungen immer gut zu strukturieren, denn ich bin selbst immer ein Strukturlerner gewesen. Ich brauche immer so eine Art Baum, wo ich erkennen kann, was wichtig ist, was unwichtig ist und welche Klassen und Unterklassen es gibt. Das versuche ich auch in der Vorlesung stringent zu verfolgen.
Außerdem versuche ich meine Folien mit Hilfe von selbstgemalten Grafiken möglichst hübsch zu gestalten, denn das Auge lernt mit! Mir ist wichtig, dass die Studierenden sich das auch schematisch vorstellen können, um einen Überblick zu kriegen, also eine Konzentration auf das Wesentliche. Wenn man den Studierenden zeigen kann, dass sie das später brauchen, auch wenn es sich sehr nach Grundlagen anhört, dann kommt das auch immer sehr gut an.
Und was passiert in den Seminaren?
In den Seminaren geht es darum, dass wir in Abstimmung mit der Mikrobiologie versuchen, den Studierenden die gesamte Infektion und Abwehr von Infektionen nahezubringen. Wir haben dabei eine Dreiteilung. Als Erstes besprechen wir Fragen, die auch in der Ärztlichen Zwischenprüfung drankommen könnten. Der zweite Teil sind die Fälle. Das haben die Studierenden sich gewünscht und das macht auch immer viel Spaß. Meistens sind das reale Fälle, die dann immer einen gewissen Dreh haben, ein bisschen wie ein Kriminalfall. Im dritten Teil gehen wir auf MC-Fragen ein. Ich habe dann auch IMPP Fragen dabei, die ein bisschen gemeiner waren. Ich möchte, dass die Studierenden sehen, dass die vielleicht nur auf den ersten Blick gemein sind und wenn man wirklich mal darüber nachdenkt, sieht man: „Ach, darauf wollten die eigentlich hinaus!“
Bei Ihrer Nominierung haben die Studierenden die alltagstauglichen Beispiele in Ihrer Lehre besonders hervorgehoben. Fällt Ihnen dazu etwas ein?
Da gibt es viele anschauliche Beispiele. Ich fand zum Beispiel ganz eindrucksvoll, dass eine Tablette, die für Erwachsene ganz leicht zu schlucken ist, für ein Kind ganz andere Dimensionen hat. Da gibt es diesen daumendicken USB Stick in Tablettenform hier, der zeigt, wie groß die Tablette für ein Kleinkind wäre. Wenn man sich dann überlegt, dass ein Kind sowas vielleicht täglich nehmen muss, dann wird einem auch bewusst, dass man sich ganz andere Arzneiformen überlegen muss.
Was macht gute Lehre für Sie aus?
Ich glaube gute Lehre macht aus, dass man seine Begeisterung für das Fach rüberbringt und auf die Studierenden überträgt. Man sollte immer daran denken, dass es auch für die Zukunft der Studierenden etwas bringen soll, also nicht nur für die nächsten Prüfungen, sondern auch für das spätere Leben als Ärztin oder Arzt. Wichtig ist auch, dass man ein eigenes Folien-Universum schafft, mit dem die Studierenden gut und gerne lernen und das ihnen mehr bringt als ein Lehrbuch.
Man sollte den Studierenden anhand von eigenen Erfahrungen aus dem Klinikalltag zeigen, an welchen Stellen man dieses Wissen auch benutzen kann und dass es sich lohnt in dem Moment zuzuhören.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der coronabedingten Umstellung auf digitale Lehrfomate gemacht?
Ehrlich gesagt habe ich aktuell das Problem, dass es so gut lief, dass wir gar nicht so richtig wissen, wie wir jetzt zurück in die Präsenz kommen wollen. An vielen Stellen war es natürlich auch eine Herausforderung. Ich mache auch lieber Präsenzvorlesungen als Screencasts.
Die Seminare haben wir auch komplett digital über Microsoft Teams gemacht. Da haben wir das so eingeführt, dass ich im MS Teams-Chat immer im Hintergrund mit dabei bin und mich in die Gruppenräume auch immer wieder reinschalte. Wenn man im Präsenzseminar von Tisch zu Tisch geht, ist es meistens so, dass die Leute gerade keine Fragen haben, weil sie sich nicht trauen oder denken, das sei zu speziell. Bei Teams konnten sie ihre Fragen dann einfach in den Chat schreiben. Da sind wirklich tolle Fragen entstanden und auch tolle Interaktionen, denn man kann direkt mit Beispielen und Bildern im Chat antworten. Das kam wirklich gut an, weil ich ja in alle Räume gleichzeitig hineinschauen konnte.
Ich fand das wirklich gut, aber ich bin auch sehr IT-affin und habe Spaß daran, neue Tools auszuprobieren. Jetzt überlege ich gerade, wie man etwas davon wieder mit in die Präsenzseminare nehmen kann. So ganz ausgereift ist der Plan aber noch nicht.
Was war für Sie in Ihrer Laufbahn als Lehrender die größte Herausforderung?
Eigentlich ist es die Zeit. Es ist ja schon so, dass an der Hochschule die Wissenschaft mehr zählt. Die Lehre wird zwar immer wichtiger, aber sie ist trotzdem immer noch ein Beiwerk, das muss man leider so sagen. Wenn man dann gerade Forschungsprojekte hat, die viel Aufmerksamkeit brauchen, dann tut es einem sehr leid, dass man weniger Zeit in die Lehre einbringen kann. Ich glaube, die größte Herausforderung für mich war es, zu sagen: „Ich setz' mich trotzdem hin und mach es so gut, wie ich es machen möchte.“
Gibt es auch besonders schöne Momente, auf die Sie besonders gerne zurückblicken?
Ja, eigentlich jedes Mal, wenn ich in lachende Gesichter gucke. Ich werfe gerne mal einen Witz oder eine Anekdote ein und wenn ich dann merke, dass es den Leuten Spaß macht und sie auch ein bisschen tuscheln, das freut mich dann. Das Schönste ist eigentlich, wenn man ein direktes Feedback bekommt, die Studierenden nach der Vorlesung zu einem kommen und sagen: „Das war echt gut. Wir haben viel gelernt, es hat Spaß gemacht, vielen Dank!“
Es macht mir aber auch viel Spaß, wenn die Leute tolle Fragen stellen. In den letzten Jahren, vor allem auch durch die Online-Formate, habe ich oft super Fragen bekommen, die ich selbst auch nicht immer direkt beantworten konnte. Da habe ich dann recherchiert und mich dadurch selber in der Lehre weitergebildet. Und dieser tolle Input ist ja auch das, wofür man es eigentlich macht.
Wie haben Sie reagiert, als Sie von der Nominierung erfahren haben?
Es hat mich sehr gefreut, weil wir ja jetzt zwei Jahre lang eine ganz andere Lehre hatten. Ich habe schon das Gefühl, wenn man vorne steht, kann man ein bisschen mehr die Begeisterung rüberbringen und hat eine ganz andere Interaktion mit den Studierenden als über digitale Formate. Und ich habe mich eigentlich schon während diese Zeit gefragt:“ Macht man jetzt genau den gleich guten Job wie vorher, oder ist es schlechter deswegen?“ Es hat mich sehr gefreut, dass es trotz fehlender Präsenz gut angekommen ist!
Wofür würden Sie das Preisgeld denn einsetzen?
Ich habe angefangen, eine Pharmakologie Lern-App zu gestalten. Damit möchte ich eine neue Interaktions-Plattform schaffen. Da soll es darum gehen, dass man kleine Quizze hat und während der Vorlesung Sachen eingeblendet bekommt, auch über reine MC-Fragen hinaus. Darein habe ich auch schon die letzten Lehrpreisgelder investiert. Aber so eine App ist teurer als man denkt. Ich habe anfangs versucht, selbst zu programmieren, aber da braucht man dann doch ein bisschen mehr Geschick als ich als Hobby-Programmierer. Ich bin mir sicher, das Preisgeld würde da weiter reinfließen, damit die App auch bald in den App-Store kommt.
Was ich mir auch vorstelle, sind kleine Kitteltaschenkarten - vielleicht auch als App - für die Stationen, die zeigen: „Welche Pharmakologie erwartet mich in dieser Klinik? Welche Pharmaka sollte ich mir noch einmal anschauen?“
Was möchten Sie Ihren Studierenden für die Zukunft mit auf den Weg geben?
Überprüfe dich immer wieder selber und hinterfrage, ob das, was du gerade für das Problem hältst, auch wirklich das Problem ist! Medizin hat auch etwas von Kriminalfällen. Und die Krankheit ist der Täter! (lacht)
Dieses strukturierte Vorgehen, dass man sich schon bei der Diagnose überlegt: „Wie gehe ich vor?“, habe ich in meinen Auslandstertialen oder Famulaturen im englischsprachigen Raum gelernt. Man sollte wirklich ganz strukturiert an eine Krankheit herangehen, damit man auch nichts vergisst. Das Schlimmste ist, wenn man einmal fälschlicherweise einen Pfad eingeschlagen hat, Diagnostik und Therapie in die falsche Richtung macht und sich am Ende wundert, dass es nicht funktioniert. Man sollte immer offen dafür bleiben, dass es auch etwas Anderes sein könnte, auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist.