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Applaudierendes Publikum bei der Lehrpreisverleihung für Medizin

Dr. Beryl Schwarz-Herzke

"Man muss einfach individuell auf die Studierenden eingehen."

Dr. Beryl Schwarz-Herzke vom Institut für Anatomie II begeistert Studierende der Zahmedizin mit ihrer Vorlesung und dem Präparationkurs für Zahnmediziner:innen. Die Studierenden nominierten Sie nicht nur für die gute Struktur und die Praxisnähe ihrer Lehrveranstaltungen, sondern auch wegen ihrer Kommunikation auf Augenhöhe und der guten Erreichbarkeit dank der Online-Sprechstunden: "Wir hatten auch Sprechstunden am Abend um 17–18 Uhr, wo wir alle unsere Fragen stellen konnten, zudem hat sie uns immer vor der Klausur noch zusätzliche Sprechstunden angeboten, was sehr lobenswert ist!"

Mit ihrem Engagement schafft es Dr. Schwarz-Herzke ihre Begeisterung für das Fach Zahnmedizin auf ihre Studierenden zu übertragen: "Ich habe dank ihr verstanden , dass ich nach meinem Studium an der Universität arbeiten möchte, denn ich habe gesehen, wie man mit dieser Arbeit zufrieden und glücklich wird und natürlich den Studierenden auch viel Freude am Lernen gibt", schreibt Zahnmedizinstudent Jahongir Boturov im Antrag.

Sie sind einmal für den Präparierkurs und einmal für die zugehörige Vorlesung „Anatomie für Zahnmediziner:innen“ nominiert worden. Worum geht es da?

Im Moment haben wir das so ein bisschen gestückelt. Der erste Kurs ist der Kopf-Hals-Kurs. Da bekommen meine Studierenden halbe menschliche Köpfe, die sie präparieren dürfen. Es ist immer am besten, Anatomie direkt am Menschen zu lernen. Nur mit Hilfe von Büchern, wo alles zweidimensional dargestellt ist, kann man sich das nicht wirklich vorstellen. Mir ging es damals nicht anders! Als ich Anatomie gelernt habe, habe ich das schön im Atlas gelernt, mich dann an das Präparat gestellt und dachte, ich sei super vorbereitet. Nach fünf Minuten bin ich total enttäuscht wieder rausgegangen, weil absolut nichts funktioniert hat. Von daher ist es ganz wichtig, diesen Präparationskurs für Mediziner und Zahnmediziner durchzuziehen.

Das unterstütze ich dann über die Bilder mit einer Vorlesung. Ich versuche, meine Lehre so aufzubauen, dass die Studierenden nicht alles auswendig lernen müssen. Ich versuche, jede einzelne Frage zu klären, deswegen biete ich auch zwischendurch Sprechstunden an.

Wie läuft denn der Präparierkurs in der Zahnmedizin genau ab?

Wir fangen immer mit den Knochen an, damit ich die Studierenden auch ein bisschen an das Leichenwesen heranführen kann. Sie bekommen von mir erstmal einen Schädel, woran wir die einzelnen Knochen besprechen. Ich mache die Studierenden darauf aufmerksam, wie die Knochen aufgebaut sind und warum sie so aufgebaut sind. Später kommen wir dann darauf, welche Muskeln da ansetzen und was für eine Funktion sie ausüben. Wenn wir das durchgesprochen haben, dann starten wir mit der Präparation.

Und was unterscheidet den Kurs von der Humanmedizin?

Die Zahnmediziner:innen werden primär im Kopf-Hals-Bereich ausgebildet. Die Humanmediziner:innen konzentrieren sich mehr auf die Extremitäten. Kopf und Hals werden zwar auch besprochen, aber nicht so im Detail wie ich das mit den Zahnmediziner:innen gerne mache.

Wie kam es denn dazu, dass Sie sich so auf die Zahnmedizin fokussiert haben? Sie sind eigentlich keine Zahnmedizinerin, oder?

Nein, ich habe Biologie studiert und dann in der medizinischen Genetik promoviert, also ganz woanders. Ich bin da so ein bisschen reingerutscht, als ich hier angefangen habe. Ich fand die Anatomie richtig spannend, habe mir dann meine eigenen Köpfe genommen, bin mit meinem Chef in die Vorlesungen und in den Präpariersaal gegangen. Als er aufgehört hat, habe ich dann angefangen, den Kurs zu machen. 

Ich finde den Kopf-Hals-Bereich einfach am spannendsten, weil man sich da auch viel herleiten kann. Es ist alles viel feiner. Deswegen habe ich mich darauf auch ein bisschen spezialisiert.

Das Präparieren an Körperspenden ist für viele Studierende gerade zu Beginn des Studiums sicher ein sensibles Thema. Wie bereiten Sie Ihre Studierenden darauf vor?

Ich mache am Anfang des Semesters immer eine extra Präparationssaal-Einführung für die Zahnmediziner:innen, bevor der eigentliche Anatomiekurs startet. Zum einen, weil ich sie kennenlernen möchte, aber auch, weil ich festgestellt habe, dass viele sehr sensibel darauf reagieren. Ich bringe sie dann erstmal hier herein, wenn wir keine Körperspenden im Saal liegen haben, um sie wirklich darauf vorzubereiten. Mir ist es auch ganz wichtig, dass die Studierenden direkt lernen, Respekt vor den Körperspenden zu haben. Die sollen sich fragen, ob sie sich selbst spenden würden. Und wenn sie nein sagen, sollten sie umso mehr Respekt vor den Körperspenden haben.

Es gibt auch Studierende, die zum Beispiel gerade einen Angehörigen verloren haben, die haben dann echt Schwierigkeiten. Mit denen gehe ich dann nochmal raus und fange noch einmal von vorne an, also wirklich ganz sensibel. Es ist bisher noch niemand dabei gewesen, der es gar nicht geschafft hat. Irgendwann hat es dann immer geklappt. Ich finde, man muss einfach individuell auf die Studierenden eingehen. Ich hole mir dazu auch Hilfe von älteren Studierenden, die sich dann auch um die sensibleren Studierenden kümmern können. Oft ist es einfacher, mit jüngeren Leuten, die selbst noch im Studium sind, darüber zu reden, als mit mir.

Was war für Sie in der Lehre die größte Herausforderung?

Die Corona-Zeit war eine Herausforderung, aber ich habe nie gedacht, dass das gar nicht zu meistern ist. Tatsächlich war die größte Herausforderung, diesen Kurs zu übernehmen und so zu organisieren, dass die Studierenden sagen: „Der ist gut!“. Das hat mir auch sehr viel Spaß gemacht, diesen Kurs so ein bisschen umzugestalten und auch aus meinen eigenen Fehlern zu lernen.

Wie haben Sie den Präparierkurs denn während der Corona-Pandemie umgesetzt?

Wir haben 2020 mit einem Parcours angefangen. Da haben wir mit Hilfe von studentischen Hilfskräften Körperspenden präpariert, immer in verschiedenen Stadien. Die Studierenden hatten dann Zeit, sich das anzuschauen. Das fand ich persönlich sehr ungünstig und das war auch das Feedback von den Studierenden. Es hat ihnen zwar etwas gebracht, aber natürlich nicht so viel, als wenn sie selber reparieren. Wir durften es nur leider nicht anders machen. Wir waren schon froh, dass wir das überhaupt durchführen durften.

Im darauffolgenden Semester war das dann Gott sei Dank so, dass wir eine bestimmte Anzahl an Studierenden reinlassen durften. Die durften dann immer ein bisschen präparieren und dann mussten wir wieder wechseln. Dadurch sind die etwas besser davongekommen als das Semester davor. 

Gibt es auch etwas Positives, was sie an Erfahrung aus dieser Zeit ziehen?

Ja, die digitale Lehre möchte ich ehrlich gesagt gar nicht mehr missen! Deswegen werde ich das in Zukunft auch mischen. Ich werde wieder Präsenzlehre machen und auch meine Vorlesung wieder in Präsenz anbieten, aber zusätzlich auch Online-Sprechstunden machen. Und ich werde meine Vorlesungen definitiv auch aufzeichnen und die Screencasts hochladen, damit die Studierenden die Möglichkeit haben, sich das noch einmal anzuschauen.

Was macht gute Lehre für Sie aus?

Gute Lehre ist für mich, wirklich zu wissen auch der letzte hat es jetzt verstanden. Ich versuche meine Studierenden zu ermutigen, jede Frage zu stellen, egal wie doof sie sie finden. Und wenn sie sich nicht trauen die Frage in der Gruppe zu stellen, dann können sie mir auch eine E-Mail schreiben. Ich will wissen, dass die Studierenden rausgehen und sagen: „Das war gut, da habe ich etwas gelernt!“

Was ich erreichen möchte, ist, dass die Studierenden, wenn Sie später vor einem Patienten stehen, die Anatomie des Patienten sofort grob im Kopf haben, bevor sie anfangen, Diagnostik und Therapie zu erarbeiten. Das ist mir wirklich wichtig.

Gibt es Momente, an die Sie sich besonders gerne zurückerinnern?

Einige! Da gibt es Momente, worüber man hinterher lacht, worüber man sich aber erstmal ärgert, weil etwas kaputtgeschnitten wird oder weil etwas abgeschnitten wird, damit ich das nicht abfrage. Wenn ich dann frage: „Man sieht es jetzt zwar nicht, aber was würde denn da liegen?“ fallen die Studierenden dann aus allen Wolken (lacht). Oder so schöne Kommentare wie „Huch, die Nerven sind ja gar nicht gelb wie in den Büchern!“, das sind dann wirklich witzige Momente, aber irgendwie auch süß und menschlich.

Eigentlich ist wirklich jeder Kurs schön, ich mag jedes Semester. Wenn man den Studierenden zeigt, dass man sich für sie interessiert, dann sind sie auch sehr dankbar und lernen das auch wirklich gerne.

Wie haben Sie reagiert, als Sie von der Nominierung erfahren haben?

Ich habe mich natürlich riesig gefreut, weil das für mich bedeutet, dass meine Lehre wirklich gut angekommen ist. Obwohl der Kurs pandemiebedingt ein bisschen chaotisch gelaufen ist, scheint doch etwas angekommen zu sein, das fand ich so schön!

Wofür würden Sie das Preisgeld einsetzen?

Ich hätte ganz gerne Funktionsmodelle, die man auch ein bisschen bewegen kann, zum Beispiel um die Funktionen der Muskeln zu zeigen. Ich weiß nicht, ob es so etwas gibt, aber das würde mir noch fehlen.

Was möchten Sie Ihren Studierenden für die Zukunft mit auf den Weg geben?

Dass Sie bitte nie vergessen sollen, dass ein Mensch vor Ihnen im Stuhl sitzt und dass Sie die Anatomie dreidimensional im Kopf haben müssen, um eine gute menschliche Behandlung zu machen.

Zusammenfassung des Interviews zum Anhören

Verantwortlichkeit: Inga Wienand, Studiendekanat der Medizinischen Fakultät