Zum Inhalt springenZur Suche springen

Uniklinik Düsseldorf belegt einen der weltweit ersten Fälle
„Düsseldorf-Patient“: HIV-Heilung nach Stammzelltransplantation bestätigt

Nach vier Jahren gründlicher Beobachtung: Uniklinik Düsseldorf kann einen der weltweit ersten Fälle von besiegter HIV-Infektion in Fachwelt belegen. Der so genannte „Düsseldorf Patient“, ein heute 53 Jahre alter Mann, ist der weltweit nunmehr dritte Patient, der durch eine Stammzelltransplantation vom HI-Virus vollständig geheilt werden konnte.

Zoom

Das Ärzteteam um den Infektiologen Dr. Björn Jensen und den Hämatologen Prof. Dr. Guido Kobbe, beide vom Universitätsklinikum Düsseldorf, stellt in ihrer aktuellen, begutachteten Publikation in dem renommierten Fachjournal Nature Medicine den Weg zur Heilung des „Düsseldorf Patient“ vor.

Die Transplantation erfolgte, wie auch bei den beiden anderen Patienten (Berlin Patient und London Patient), aufgrund einer akuten hämatologischen Erkrankung, die sich zusätzlich zur HIV-Infektion entwickelt hatte. Das Düsseldorfer Ärzteteam um den Infektiologen Dr. Björn Jensen und den Hämatologen Prof. Dr. Guido Kobbe, beide vom Universitätsklinikum Düsseldorf, stellt in ihrer aktuellen, begutachteten Publikation in dem renommierten Fachjournal Nature Medicine den Weg zur Heilung des „Düsseldorf Patient“ vor. Fast zehn Jahre nach der Stammzelltransplantation durch einen nicht verwandten Spender und mehr als vier Jahre nach Absetzen der HIV-Therapie ist er heute bei guter Gesundheit. Dass das Virus tatsächlich nicht zurückgekehrt ist, ist Ergebnis sorgfältigster wissenschaftlicher und therapeutischer Vorbereitung und Überwachung. Das ist die bisher längste und genaueste diagnostische Begleitung eines Patienten mit HIV nach Stammzelltransplantation.

Das internationale Forschungsteam unter Düsseldorfer Leitung erhofft sich aus den gewonnenen Erkenntnissen weitere Ansätze für die Planung zukünftiger Studien zur HIV-Heilung. Eine Stammzelltransplantation kann aufgrund ihrer Risiken nur im Rahmen der Behandlung anderer lebensbedrohlicher Erkrankungen eingesetzt werden. Daher gilt es jetzt, die Forschung weiter zu führen, damit zukünftig auch Patienten ohne diesen Eingriff eine HIV-Infektion überwinden können. 

Der „Düsseldorf Patient“ wurde ein halbes Jahr nach Beginn seiner HIV-Therapie am Universitätsklinikum Düsseldorf mit einer Akuten Myeloischen Leukämie (AML) diagnostiziert. Das ist eine Form von Blutkrebs, die für den Patienten lebensbedrohlich ist. 2013 musste er sich daher einer Stammzelltransplantation unterziehen. „Ziel der Transplantation war von Beginn an, sowohl die Leukämie als auch das HI-Virus in den Griff zu bekommen“, sagt Prof. Dr. Guido Kobbe, der die Transplantation in Düsseldorf durchführte. Dazu wurden Stammzellen einer Spenderin mit einer genetischen Besonderheit verwendet: Der Mutation des CCR5-Gens (CCR5 delta32-Mutation). Diese vor allem in Mittel- und Nordeuropa verbreitete, aber seltene genetische Veränderung führt zum Fehlen einer Andockstelle für HIV auf den Immunzellen und bedingt einen weitgehenden Schutz vor einer Infektion durch das Virus. So konnten mit der Stammzelltransplantation gleich beide Erkrankungen therapiert werden.

2018 wurde nach sorgfältiger Planung und mit konstanter, engmaschiger Kontrolle durch das behandelnde Ärzteteam schließlich die antivirale HIV-Therapie abgesetzt, die bis dahin eine Kontrolle von eventuell noch vorhandenen HI-Viren sichergestellt hätte.

Um am Ende von einer Heilung sprechen zu können, erfolgten über den gesamten Zeitraum umfangreiche Untersuchungen. Zum Beispiel auch darauf, ob sich noch Hinweise auf vermehrungsfähige HI-Viren finden ließen. Die Autoren beschreiben in der Nature Medicine-Publikation detailliert, welche zusätzlichen Indizien zum Ausschluss einer noch aktiven HIV-Infektion sie geprüft haben, um heute von Heilung nach Stammzelltransplantation ausgehen zu können.

Nach dem weltweit ersten Bericht im Jahr 2009, dass eine Transplantation mit Stammzellen eines Spenders mit dieser besonderen Genmutation (siehe Hintergrund) eine HIV-Infektion grundsätzlich heilen kann, waren noch viele Fragen zu den dafür erforderlichen Voraussetzungen unbeantwortet.

Wichtige Erkenntnisse hierzu liefert die nun vorliegende detaillierte virologische und eingehende immunologische Analyse des Bluts und von Geweben des Düsseldorfer Patienten.

Dr. Björn Jensen sagt stellvertretend für das internationale Team: „Wir können nach unserer intensiven Forschung jetzt bekräftigen, dass es grundsätzlich möglich ist, durch Kombination von zwei wesentlichen Methoden die Vermehrung des HI-Virus nachhaltig zu unterbinden. Das ist einerseits die weitgehende Entleerung des Virus-Reservoirs in langlebigen Immunzellen und zum anderen die Übertragung der HIV-Resistenz des Spender-Immunsystems auf den Empfänger. So hat das HI-Virus keine Chance, sich erneut zu vermehren. Jetzt muss man weiter erforschen, wie das auch außerhalb der von uns beschriebenen engen Rahmenbedingungen möglich ist.“

„Unser Team hat sich für ein sehr vorsichtiges und extrem gründliches Vorgehen entschieden. Im Fokus stand natürlich, so den größtmöglichen Nutzen für unseren Patienten zu erreichen. Darüber hinaus war es auch unser Ziel, maßgeblich zum Verständnis der Erfolgsfaktoren einer solchen Therapie beizutragen“, sagt Prof. Dr. Tom Lüdde, Ko-Autor und Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie des Universitätsklinikums Düsseldorf, das die Behandlung durchführte.

Hintergrund:

Bei der Genmutation der Stammzellenspenderin handelt es sich um eine homozygote CCR5 delta32-Mutation bzw. CCR5 Δ32-Mutation.  Der CCR-5 Ko-Rezeptor spielt in eine sehr wichtige Rolle für den Zelleintritt von HIV in Immunzellen. Bei der homozygoten CCR5 Δ32-Mutation handelt es sich um ein Fehlen von 32 Basenpaaren im CCR5-Gen (CCR5Δ32/Δ32) in beiden Genkopien (mütterlicherseits und väterlicherseits), was nur bei etwa 1 Prozent der kaukasischen Bevölkerung vorliegt. Dies führt zu einer weitreichenden Resistenz gegen HIV-1, da so kein funktionsfähiger CCR5-Korezeptor produziert werden kann und somit auf der Oberfläche von Immunzellen fehlt.

Allogene Stammzelltransplantation

Bei der allogenen Blutstammzelltransplantation wird ähnlich zu anderen Transplantationsverfahren ein erkranktes Organ, in diesem Fall das blutbildende System des Patienten, durch ein gesundes Spenderorgan, also die gesunde Blutbildung des Spenders, ersetzt. Es handelt es sich dabei entweder um einen verwandten oder auch einen fremden Spender, wobei die Blutstammzellen von einem hinsichtlich der genetischen Gewebemerkmale möglichst identischen Spender transplantiert werden müssen.

Virus-Reservoir in langlebigen Immunzellen

HIV-1 ist in der Lage, ein langlebiges virales Reservoir zu bilden, indem es "virale Baupläne" in das zelleigene Erbgut langlebiger Immunzellen einfügt, aus denen dann wieder vermehrungsfähige Viren hergestellt werden können.

IciStem-Konsortium

Das IciStem-Konsortium ist eine internationale Forschungskooperation von Wissenschaftler:innen und Ärzten, die HIV-Infizierte verfolgen, die wegen schwerer hämatologischer Erkrankungen eine Knochenmarktransplantation erhalten haben oder erhalten werden. Das Konsortium hat über 50 HIV-Infizierte registriert, die entweder CCR5d32/d32- oder Wildtyp-Spenderzellen erhalten haben bzw. erhalten werden, und führt eingehende und fortgeschrittene Untersuchungen des angeborenen und adaptiven Immunsystems und der HIV-Reservoirs vor und nach der Transplantation durch. Icistem ist offen für neue Anmeldungen und wird von Annemarie Wensing vom University Medical Center Utrecht in den Niederlanden und Dr. Javier Martinez-Picado vom IrsiCaixa AIDS Research Institute in Spanien koordiniert. www.icistem.org

Originalpublikation:

Jensen, B. E-O., Knops, E, Cords, L. et al., In-depth virological and immunological characterization of HIV-1 cure after CCR5Δ32/Δ32 allogeneic hematopoietic stem cell transplantation. Nat Med (2023). DOI number: 10.1038/s41591-023-02213-x

The online version: https://www.nature.com/articles/s41591-023-02213-x

Videomaterial: https://youtu.be/GCKkkwwsSYM

 

Pressekontakt:

Susanne Dopheide, Heinrich-Heine-University Düsseldorf /Faculty of Medicine, e

Tobias Pott, University Hospital Düsseldorf,

 

Autor/in:
Kategorie/n: Medizinische Fakultät, Schlagzeilen, Pressemeldungen, Auch in Englisch, Alumni-News
Verantwortlichkeit: